Freiarbeit nach Maria Montessori in der Regelschule

1991

75 Minuten

Dieser Film ist als Einführung in die Pädagogik Maria Montessoris gänzlich ungeeignet, da er weder ihre didaktischen Materialien noch eine vollauf ihren Grundsätzen verpflichtete Freiarbeitspraxis vorstellt.

Im wesentlichen wird, geordnet nach Lernbereichen, die Handhabung zahlreicher, sog. "modifizierter" Arbeitsmaterialien für das erste bis fünfte Schuljahr demonstriert. Diese werden jedoch nur unzureichend erläutert und ihre Darbietung erfolgt auf teilweise wenig verständliche Weise. Dabei wird nach der Reihenfolge eines "Handbuches für Lehrer" vorgegangen, in welchem die Sprecherin immer wieder blättert, ohne daß der Zuschauer Bilder erkennen oder die Schrift entziffern könnte. Es handelt sich um ein an die von der Montessori-Vereinigung (Sitz Aachen) herausgegebenen Materialmappen für Lehrgangsteilnehmer angelehntes Handbuch, für das als Mitautoren neben Roswitha Bolvansky (Lehrerin) auch M.Lermer (Lehrerin), Prof. Dr. K. Czerwenka (Hochschullehrer) und F. Schäffer (Schulamtsdirektor) verantwortlich zeichnen.

Es ist deutlich festzuhalten, daß die in Handbuch und Film dargebotenen Lernmaterialien z.T. nicht einmal dem Namen nach den Montessori-Materialien entsprechen. Vielmehr handelt es sich um Arbeitsmittel, die von R. Bolvansky in enger Anlehnung an das Montessori-Material entwickelt und in einer Behinderten-Werkstätte in Dillingen angefertigt wurden.

Ferner erscheint es unangemessen, im Filmtitel von "Freiarbeit nach Maria Montessori" zu sprechen, da die pädagogischen und methodisch-didaktischen Prinzipien der italienischen Pädagogin in einigen der im Film dargestellten Unterrichtssituationen klar mißachtet werden. Beispielsweise

• wird das Prinzip der mengenmäßigen Materialbegrenzung nicht realisiert, denn manche Arbeitsmittel sind mehrfach im Klassenraum vorhanden
• erfolgt die Einführung des Sinnesmaterials zu einem — entwicklungspsychologisch betrachtet — verspäteten Zeitpunkt, nämlich erst im Schulalter der Kinder
• werden die Lernmaterialien nach einem starren, vorab von der Lehrerin festgelegten Plan für alle Kinder eingeführt
• klingelt während einer Freiarbeitsphase lange, schrill und aufdringlich die Schulglocke

Der Film präsentiert zwar eine Schulpraxis, die in verschiedener Hinsicht eine erfreuliche Alternative zum traditionellen Klassen-unterricht darstellt. Auch läßt sich ihm zugute halten, daß er dem Montessori-Pädagogen manche Anregung für die Herstellung von Zusatzmaterialien zu geben vermag. Allerdings sollte aus den genannten Gründen keinesfalls von "Freiarbeit nach Montessori" gesprochen werden, da durch diesen Titel Erwartungen geweckt werden, die der Film nicht erfüllt. Das Handbuch vermag dieses Defizit nicht auszugleichen, bleiben die stichwortartigen Ausführungen zu den Grundlagen der Montessori-Pädagogik doch insgesamt fragmentarisch, unstrukturiert und wissenschaftlich kaum abgesichert.

(Michael Klein-Landeck)